Was verbindet Russen und Schweizer? Die Sehnsucht nach dem Süden und dem Meer.
Totschna pflegt seit 9 Jahren den russisch-schweizerischen Dialog. In der dritten Totschna-Produktion wird Odessa, die Perle am Schwarzen Meer, zum Schauplatz musikalischer Grenzgänge – der Ländler trifft auf das russische Volkslied, der Tango auf den Jazz und der Blues auf die Ballade.
Odessa gilt vielen Russen als Stadt der Sehnsucht und des Vergnügens. Der bissige Witz und schwarze Humor dieser eleganten alten Hafenstadt steht für eine unerschütterlich positive Lebenseinstellung. Man lacht hier bis ins Grab. Und je schlechter die Zeiten, desto besser die Komik. Seit Jahrhunderten ist Odessa auch ein kultureller Schmelztiegel und eine Brutstätte fortschrittlicher Entwicklungen. Hier mischen sich die Kulturen von Migranten und Migrantinnen verschiedenster Herkunft.
Als besonders einflussreich erweist sich insbesondere auch die traditionsreiche jüdische Gemeinde Odessas. Totschna hat all diese Einflüsse aufgesaugt in der neuen Bühnenproduktion: In «Totschna goes Odessa» wird das geschichtsträchtige Liedgut der lebensfrohen Metropole, das manch eine Trouvaille birgt, neu interpretiert und durch Prosa von Michail Schwanetzkij ergänzt.
Stellvertretend für den schillernden historischen Hintergrund vieler Lieder sei hier die Geschichte von «Miserlou» erwähnt: Das griechische Misirlu/ Egyptian Girl im 2/4-Takt wanderte durch den Bosporus, das schwarze Meer hinauf bis nach Odessa, wo es als «Miserlou» Anfang des 20. Jahrhunderts zum Hit wurde. Emig-ranten brachten das Lied von Odessa aus in die USA; hier tauchte es 1962 plötzlich in den amerikanischen Charts auf – in einer Version des Surf-Guitar-Kings Dick Dale. Kultstatus erreichte «Miserlou» neuerlich, als Dales Version 1994 zur Titelmelodie in Quentin Tarantinos «Pulp Fiction» avancierte.
Keine Literatur passt besser zu diesem musikalischen Programm als die Texte des Schriftstellers/ Komikers Michail Schwanetzkij. Geboren 1934 in Odessa, schrieb er bereits als Hafeningenieur Kurzgeschichten und Satiren. Heute leitet er in Moskau sein eigenes kleines Theater; mit seinen Lesungen vermag er in Russland aber ganze Fussballstadien zu füllen. Schwanetzkij schreibt immer wieder über Bürokraten und über all jene Absurditäten, die einem das Leben schwer und das Lachen leicht machen.